Erich Maria Remarques Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“
Eine Neuverfilmung für NETFLIX im Jahre 2022 von Edward Berger – verspricht großes Kino
Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ – Der Regisseur zu seinem Film: „Bei uns (in Deutschland) dürfen wir keine Heldengeschichte erzählen …“ Wir gingen kritischer mit unserer eigenen Geschichte um, so der Regisseur. – Ich sage Nein, wir gehen nicht nur kritisch, sondern bisweilen sogar feindlich mit unserer eigenen Geschichte um, ist das gut …?
Kriegsdrama – Der Roman
Schon als ich das erste Mal davon las, der Stoff Remarques, das Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“, werde neu aufgelegt, nahm ich den Roman aus dem Regal und las ein paar Seiten, die ich alle schon einmal gelesen hatte. Das war irgendwann im Sommer 2021, in einer Zeit, als sich über der Ukraine bereits schwarze Wolken zusammenzuziehen begannen. In einem Sommer als ein grüner(!) Politiker, Robert Habeck, zum ersten Mal den Satz „Waffen in die Ukraine liefern“ in den Mund nahm und dafür von verschiedenen Seiten der Politik geradezu beschimpft wurde. Pazifismus hatte sich in Deutschland schleichend breit gemacht, obgleich man aus der Geschichte weiß, dass es im Falle eines Überfalls nur zwei Optionen gibt – Widerstand oder Unterwerfung.
Ein Anti-Kriegsroman
Remarques Kriegsdrama ist ein Anti-Kriegsroman, der Schrecken und Grausamkeiten des Kriegs in allen Erscheinungen und die zerstörerische Wirkung auf die beteiligten Menschen in ihrer ganzen Tiefe vorbehaltlos erzählt. Besonders diese neue Form des Krieges, die im 1. Weltkrieg erstmalig zum Einsatz kam, der Maschinenkrieg. Erschienen als Buch im Januar 1929, zuvor, 1928, in mehreren Folgen von einer Zeitung abgedruckt. Der Roman wurde zum Bestseller, in Millionenauflage verkauft, nicht zuletzt auch im Ergebnis einer bis dahin ungekannten Werbekampagne. Von den Nazis verbrannt, weil zu unpatriotisch, von den Linken zerrissen als „Kriegsromantik“, vom Autor verstanden als Beschreibung seelischer Wunden, die der Krieg schlägt.
Verfilmungen
Die erste, eine Adaption, kurz nach Erscheinen des Buches 1930 aus Hollywood, in einer Stummfilm- und einer Tonfilmvariante, die ins Deutsche synchronisiert, aber von den Nazis aus denselben Gründen verboten wurde wie das Buch selbst. Der Film wurde mit zwei Oscars ausgezeichnet. Die bekanntere bisher dürfte die zweiteilige, britisch-amerikanische Verfilmung für das Fernsehen aus dem Jahre 1979 sein, die sich streng inhaltlich an die Romanvorlage hält. Beide Verfilmungen liefen in den vergangenen Jahren mehrmals in mehreren Sendern der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Die aus dem Jahre 1979 erstmalig am 1. September 1983 auf Südwest3. Man kann den Film kostenlos auf Youtube anschauen, oder als DVD/ Blu-ray erwerben.
Die Neuverfilmung
Für NETFLIX als deutsch-amerikanisch-britische Gemeinschaftsproduktion, Premiere im September 2022 beim Toronto International Film Festival, vorgeschlagen für einen Oscar 2023 und Teil einer Vorauswahl für den Europäischen Filmpreis 2022,
mit: Daniel Brühl (Matthias Erzberger), Felix Kammerer (Paul Bäumer), Albrecht Schuch (Stanislaus Katczinsky), Aaron Hilmer (Albert Kropp) und Moritz Klaus (Frantz Müller); Regie: Edward Berger; der Film seit 28.10.22 bei NETFLIX.
Das Erscheinungsjahr des Kriegsdramas, 2022, eine ungewollte Analogie auf das, womit keiner gerechnet hatte, obgleich es absehbar war, obgleich es genügend Warnungen gab, der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Ein Krieg, der nicht allein an den Fronten, sondern aus der Luft vor allem gegen Zivilisten und zivile Infrastruktur geführt wird. Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ bei Netflix>>>
Kriegsdrama – Der Film
Ich habe ihn mir gleich am Erscheinungstag angesehen und meine Gefühle sind gemischt, um es vorsichtig auszudrücken. Aber das ist wohl immer so, wenn man den Roman gelesen hat und im Film eine Verbildlichung desselben erwartet. Diesen Anspruch erfüllt im Wesentlichen die Verfilmung aus dem Jahr 1979, und dies zu wiederholen hätte diese Neuverfilmung zu einer Kopie degradiert, die lediglich vermag, unter Nutzung modernerer Tricktechnik, den Zuschauer tiefer ins Geschehen hineinzuziehen. Insofern kommt auch hier die Bezeichnung Adaption des Romanstoffs, was den Hauptstrang der Handlung betrifft, unter Einbindung einiger Schlüsselereignisse aus dem Roman, der Wahrheit näher.
Die Handlung
Westfront 1917, Gefallenen werden die Uniformen ausgezogen, um diese aufgearbeitet an neue Rekruten zu vergeben. Eine davon bekommt Paul Bäumer (Felix Kammerer), der sich, wie ein kompletter Schuljahrgang, mit seinen Freunde Albert Kropp (Aaron Hilmer) und Franz Müller (Moritz Klaus) freiwillig an die Front gemeldet hatte. Nach einer patriotischen Rede des Schuldirektors geht es, nicht wie im Roman zuerst in die Ausbildung, sondern gleich an die Westfront. Schade, dass zwei wichtige Schlüsselfiguren fehlen der Kantorek und Unteroffizier Himmelstoß, dafür bleibt Stanislaus Katczinsky (Kat). Aber wie schon gesagt, eine Adaption. Auf etwa 45 Minuten grausamstes Kriegsgeschehen mit Grabenkämpfen folgt eine recht lang gezogene Ruhephase im Hinterland.
Zeitsprung November 1918
Hier kommt der Nebenstrang zum Tragen, den es im Roman auch nicht gibt, die Verhandlungen in dem allseits bekannten Zug in Compiègne für einen Waffenstillstand. Hauptfigur dabei der liberale Politiker, Staatssekretär Matthias Erzberger (Daniel Brühl), dessen Bemühungen, eine faire Lösung zu verhandeln, sowohl von den Alliierten wie auch vom kaiserlichen Militär abgelehnt werden. „Seien sie gerecht zu ihrem Gegner, sonst wird er diesen Frieden hassen“, spricht Erzberger zu Marschall Foch, ein Vorgriff auf das, was nach Versailles folgte. Foch lehnt ab. Stellvertretend für die kaiserliche Generalität steht ein Generalmajor von Winterfeldt, „was ist ein Soldat ohne Krieg?“ Während der Verhandlungen zeigt der Film eine blutige Panzerschlacht. Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ Film 1979>>>
Geschichtstreue und künstlerische Freiheit
Die Ereignisse um Compiègne werden im Film geschichtstreu wiedergegeben, der Waffenstillstand trat tatsächlich am 11. November 1918 um 11 Uhr französischer Zeit in Kraft. Die Frist von 72 Stunden ab Beginn der Verhandlungen ist ebenfalls verbürgt, auch die Teilnahme eines Generalmajors Winterfeld (Detlof Sigismund von Winterfeldt) als Mitglied der Verhandlungsdelegation. Dass derselbe allerdings 50 Minuten vor Inkrafttreten des Waffenstillstands noch einmal einen Angriffsbefehl erteilte, das haben sich die Autoren des Films wohl ausgedacht, um den Gedanken der Sinnlosigkeit des Kriegs in dieser Endphase, wie auch mit der Darstellung des Panzerangriffs, zu unterstreichen.
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Fazit
Kriegsdrama, großes Kino, wie in der Überschrift bereits angedeutet. Der Gedanke, der dem Roman Erich Maria Remarques zugrunde liegt, die tiefgründige Beschreibung der seelischen Wunden, die der Krieg bei den beteiligten Menschen schlägt, wird voll umgesetzt. Man sieht in die geschundenen Gesichter der Toten und das Leid derer, die ihre gefallenen Freunde beweinen. Das ist kein Heldentum, das ist schmutziger Krieg. Dennoch würde ich gern das „Heldentum“ am Ende dieses Beitrags noch einmal aufnehmen. Der Mittelteil, Ruhe im Hinterland, wie das Ende wirken hingegen etwas in die Länge gezogen, anstatt der zweieinhalb Stunden hätte man das Ganze auch ohne wesentliche Abstriche auf normale Spielfilmlänge bringen können. Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ Der Roman>>>
Der Regisseur
Edward Berger – geboren 1970 in Wolfsburg, wo er am Theodor-Heuss-Gymnasium sein Abitur ablegte, anschließend Gasthörer an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und abschließendes Regiestudium 1994 an der New York University. Dort realisierte er mehrere Kurzfilmprojekte. Erste Arbeiten als Autor und Regisseur bei mehreren Folgen der Fernsehserie „KDD – Kriminaldauerdienst“ sowie als Regisseur bei einigen Tatort bzw. Polizeiruf 110 – Folgen. Sein Film „Ein guter Sommer“ wurde 2012 mit dem Grimme-Preis geehrt. Für den Kinofilm „Jack“ erhielt er 2015 den Deutschen Filmpreis in Silber. Mit der Auswahl für den Oscar 2023 wird das Kriegsdrama von Remarque wohl sicher zu seinem bislang größten Erfolg.
„Befremdelnd“
In seinen Äußerungen zum Film sagt der Regisseur unter anderem: „Bei uns dürfen wir keine Heldengeschichte erzählen, es geht immer um Trauer, Scham, Schuld und Terror. Und natürlich gibt es nichts, worauf man stolz sein kann in diesen Kriegen.“ Aus dem ersten Satz könnte man Bedauern darüber erkennen, dass man in Deutschland keine Heldengeschichten erzählen darf. Beim zweiten Satz lässt er offen, welche Kriege er meint. Ein weiterer Satz des Regisseurs schafft jedoch Klarheit, was er meint: „Anders als bei amerikanischen oder britischen Werken kann es bei einem deutschen Kriegsfilm das Gefühl der Glorifizierung nicht geben.“ Hier würde ich gern die Frage nach dem „Warum“ stellen. Er spricht vermutlich vom Ersten Weltkrieg. Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ bei Netflix>>>
Der Erste Weltkrieg
Dieser Krieg war ein imperialistischer Raubkrieg, in dem sich mehrere Raubtiere um ein und dasselbe Stück Wild bekämpft haben, mit annähernd gleicher Schuld. Über das Pulverfass Balkan hinaus um ein Stück vom Kuchen des zerfallenden Osmanischen Reiches (dort gab es Erdöl und der Verbrennungsmotor hatte seinen Siegeszug angetreten) und im Allgemeinen um die Sicherung wirtschaftliche Machtinteressen. Der Mord am Thronfolger war Anlass für die K&K-Monarchie nicht Ursache, der Beitritt Kaiserdeutschlands ein Bündnisfall (wie heute NATO), England und Frankreich, im Bündnis mit Italien, haben die Konflikte angeheizt. Im Kontext der damaligen Zeit gab es keine Schuldigen und Nichtschuldigen
Helden ehren bedeutet nicht den Krieg zu verherrlichen
Und doch hatten wir Helden in diesem Krieg. Man kann durchaus die Taten einzelner Personen oder Personengruppen würdigen, ohne dabei die Grauen des Kriegs schlechthin oder die Kriegsziele einzelner Mächte aus den Augen zu verlieren, ohne dabei des Kriegs zu huldigen, weil jede Tat, die den Gegner schwächt eigenen Leuten zum Überleben verhilft und vielleicht dazu beiträgt, die Dauer des Kriegs, dieses Kriegsdrama zu verkürzen. Nicht anders verhält es sich gegenwärtig mit den Hilfen für die Ukraine, und wie viel Schaden pazifistische Zurückhaltung ausrichten kann, das haben wir gerade in der jüngsten Vergangenheit erlebt. So lange es Mächtige gibt, die das heute geltende Völkerrecht mit Füßen treten, ist Pazifismus schädlich.
Heutige Bewertungsmaßstäbe gelten nicht für die Zeit des Ersten Weltkriegs und davor
„In Deutschland, vielleicht anders als in anderen Ländern, gehen wir viel kritischer mit unserer eigenen Geschichte um …“, sagt der Regisseur. Ich meine, wir gehen nicht nur kritisch mit unserer eigenen Geschichte um, wir gehen in einer Reihe von Belangen sogar feindlich mit unserer eigenen Geschichte um. Das hat zu einem dramatischen Rückgang der Wertschätzung der Armee geführt und damit die Wehrhaftigkeit des Landes im eigenen Interesse wie im Bündnis erheblich gestört. Das Völkerrecht, so wie wir es heute kennen, gilt in wesentlichen Teilen seit Ende des Zweiten Weltkrieges, für die Zeit davor müssen andere Bewertungsmaßstäbe gelten.
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