Kampf der Kulturen – 1917 bis 20?? – oder endlos?

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Der Blick in mein Bücherregal fällt auf Ralph Giordano

Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte – Kampf der Kulturen – Wem wird der Sieg gehören?

Ging es zunächst darum, die russische Sprache und Kultur überall auf der Welt zu fördern, sieht Präsident Putin die „russische Welt“ inzwischen inmitten eines Kampfes der Kulturen. „Unsere Mission besteht darin, sie zu stärken“, erklärt er … (Christina Nagel, ARD-Studio Moskau)

Kampf der Kulturen

Wenn mich Ereignisse auf dieser Welt bewegen, dann gleitet mein Blick über mein Bücherregal. Da steht u. a. neben „Stalin“, die Biografie von Dimitri Wolkogonow, „Die braunen Bataillone“ von Peter Longerich, „Der Orden unter dem Totenkopf“ von Heinz Höhne, „Putin – Der neue Zar“ von Steven Lee Myers und schließlich Ralph Giordano, „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte“ und einige andere zur jüngeren Geschichte, angefangen bei der Russischen Revolution bis hin zum Zweiten Weltkrieg. Kein Zufall, dass sie beieinander stehen, weil es eine Reihe Gemeinsamkeiten gibt. Sie alle erzählen von autokratischen Regimes, von Diktatoren und ihren Werkzeugen, den Folgen, wie den möglichen Folgen wie in Falle Ralph Giordanos Buch beschrieben. amazonvideo

Macht um jeden Preis

kampf_der_kulturen_ralph_giordano„Die nordische Rasse hat ein Recht darauf, die Welt zu beherrschen, und wir müssen dieses Recht der Rasse zum Leitstern unserer Außenpolitik machen. Glauben Sie mir, der ganze Nationalsozialismus wäre nichts wert, wenn er sich auf Deutschland beschränkt und nicht mindestens 1000 bis 1200 Jahre lang die Herrschaft der hochwertigen Rasse über die ganze Welt ausübt“ (Adolf Hitler im Jahre 1930). Heute hören wir Worte und Sätze wie „Russifizierung“, „Eurasien von Wladiwostok bis Lissabon“, „Die Heimkehr russischer Erde“ und andere, einzig die Rasse fehlt, dafür wird der neue Zar nicht müde, die Dekadenz des Westens, den Kampf dagegen und die Überlegenheit des eigenen Systems zu beschwören.

Die Methoden ähneln sich

Darf man Putin mit Hitler vergleichen? Diese Frage hört man seit Ausbruch des verbrecherischen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine von Zeit zu Zeit. Nun, vergleichen darf man so ziemlich alles, die Frage ist lediglich, ob man Parallelen ziehen darf. Und die drängen sich regelrecht auf. Beide Systeme, um die es hier geht, Nationalsozialismus und Bolschewismus/ Kommunismus waren geprägt von Führerkult und Verherrlichung, von schonungsloser Verfolgung und massenhaften Morden an politischen Gegnern und Andersdenkenden und vom Anspruch auf die Weltherrschaft. Putin ist die personifizierte Rückbesinnung auf Relikte, von denen man bis zum 24. Februar diesen Jahres hoffte, dass sie aus dem Instrumentenkasten der Politik verschwunden seien.

Putin – Rückkehr zu alten Expansionsgelüsten

Dass Hitler es war, der den Bolschewismus zum Hauptfeind erklärte, dass die Sowjetunion vor allem aus diesem Grunde die Hauptlast im Kampf gegen Nazideutschland trug, macht ihn (den Bolschewismus) nicht besser und ist daher auch kein treffender Grund, der Vergleiche und Parallelen zwischen beiden Systemen verbieten würde. Dass es Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts zu Annäherung und Abrüstung kam, war nicht das Verdienst der Sowjetunion, sondern einerseits der Entspannungspolitik des Westens und andererseits dem wirtschaftlichen Unvermögen, das Wettrüsten weiterhin durchzuhalten, geschuldet. Mit Putin erlebt die Welt seit Jahren den Versuch einer Rückkehr zu alten Expansionsgelüsten, und der Glaube, der Kampf der Kulturen sei 1990 beendet worden, erlitt ein jähes Ende.amazon_audible

Rückblick
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Westfälischer Frieden – allegorische Darstellung

Am Ende des bis dahin größten und am längsten andauernden Schlachtens in der Geschichte, dem 30jährigen Krieg, rieben sich die Herrschenden Europas die Augen und gelangten nach lang andauernden Verhandlungen im Westfälischen Frieden zu der Einsicht, dass Konflikte zwischen Staaten letztendlich nicht mit Kriegen zu lösen sind. Gleichzeitig setzte ein Wandel im Denken, besonders in den Reihen der Eliten über Krieg und das Töten von Menschen schlechthin ein. War der Westfälische Frieden ein erster Schritt zu einem modernen Völkerrecht, so beflügelten Folgen und Wirkungen dieses Krieges das Zeitalter der Aufklärung und die Anfänge des modernen bürgerlichen Humanismus.

Nicht das Ende von Kriegen

Freilich war das nicht das Ende der Kriege, wie die Geschichte zeigt, große Kriege folgten, die Eroberung des größten Teils des Kontinents durch Napoleon, die Deutschen Kriege, an deren Ende der Kampf um die Reichseinigung stand und nicht zuletzt die beiden verheerenden Weltkriege im vergangenen Jahrhundert, von denen der Zweite, der Verlustreichste, zu einer Neuordnung der Welt führte. Doch eines hatte sich verändert, die Bewertung in breiten Teilen der Bevölkerung. Darüber kann auch die Tatsache nicht hinwegtäuschen, dass Menschen mit Begeisterung in diese Kriege zogen, das Töten von Menschen war nicht mehr ehrbar und erstmalig in der Geschichte wurden Kriegsverbrecher am Ende des Zweiten Weltkriegs vor ein Tribunal gestellt.

Der Rückfall

Das Fanal für die Welt, die Französische Bürgerliche Revolution, der erste Schritt in eine moderne, in eine von Freiheitsidealen geprägte Zukunft wurde überschattet von dem Morden während der Jacobiner-Diktatur, die physische Vernichtung aller Gegner der Revolution sowie derer, die es möglicherweise hätten werden können, letztendlich die Legitimation politisch motivierter Morde. Die Widersprüchlichkeit dabei, Robespierre war Anhänger eines der Größen der Aufklärung, Jean-Jacques Rousseaus. Etwas mehr als einhundert Jahre später flossen die jacobinischen Prinzipien in Lenins „Staat und Revolution“ ein und dienten als Grundlage für eine bis dahin beispiellose Säuberung unter Andersdenkenden, die Millionen in den Tod oder in Todeslager trieb.

Der Bolschewismus – Die Wiedergeburt der Autokratie
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Anonymes Portrait des Maximilien de Robespierre (1758) Musée Carnavalet

Hatte die Französische Revolution zum Ziel (und auch als Ergebnis) die Abschaffung des feudalabsolutistischen Systems und dessen Ersatz durch eine freiheitlich-demokratische Ordnung, so war die so genannte Russische Revolution letztendlich die Wiedergeburt der Autokratie, mit dem Versuch der Legitimation durch eine angeblich wissenschaftliche Weltanschauung, die ihrem Wesen nach nichts anderes ist als eine neue Religion. Während sich im Westen stabile Demokratien mit einem parlamentarischen System entwickelten (auch in Deutschland, allerdings mit weniger Stabilität), ging Russland den Weg in eine Diktatur mit monarchistischen Zügen (Unantastbarkeit der Herrschaft, Ernennung der Machthaber durch eine Führungsclique).

Anomalie der Geschichte

Es ist der besonderen Situation ausgangs des Ersten Weltkriegs zuzuschreiben, dass es nicht vom ersten Tag an zu einer direkten Konfrontation und zu einem Kampf zwischen den beiden entgegengesetzten politischen Kulturen kam, trotz des Entsetzens, das die Ereignisse in Russland selbst bei Kommunistischen Parteien des Westens auslösten. Mit der Gründung des Völkerbunds war die Welt auf Friedenskurs gegangen. Die Angst vor dem Bolschewismus, gepaart mit den wirtschaftlichen Folgen der „Bestrafung“ Deutschlands in Versailles, brachte die Kraft hervor, die sich, mit ähnlichen Methoden dazu auserwählt fühlte, dem Bolschewismus den Kampf anzusagen und damit die Welt in den bislang verheerendsten Krieg stürzte.

Hitlers Kriegsziele

Hauptziel war die Sowjetunion, unbestritten, das Davor sollte Ressourcen sichern. Frankreich war zudem die Rache für Versailles und England sah Hitler als Teil der nordischen Rasse an und spekulierte sogar auf ein Bündnis. Sein Verhältnis zu Amerikas (wie er die USA bezeichnete) war ambivalent. Zum Einen sah er die Amerikaner, wie Giordano in seinem Buch schreibt, als „hochwertig“ an, doch vom Judentum unterwandert. Somit bekämpften sich im Zweiten Weltkrieg in der Hauptstoßrichtung zwei politische Kulturen, die beide menschenverachtend waren, jedenfalls denen gegenüber, die ihren Prinzipien nicht folgten. Und das, was gegenwärtig in der Ukraine geschieht, kann man durchaus als ein blutiges Erbe des Bolschewismus bezeichnen.
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Der Kalte Krieg

Der Kampf der Kulturen setzte erst wirklich nach dem Zweiten Weltkrieg ein, der Kalte Krieg. Winston Churchill wird, insbesondere von linken Kräften, bisweilen der Spruch nachgesagt: „Wir haben das falsche Schwein geschlachtet“, was er nie gesagt hat, will man seriösen Quellen glauben. Dennoch mag der eine oder andere Politiker im Westen so oder so ähnlich gedacht haben, besonders von dem Tag an, als die Sowjetunion ihre erste Atombombe zündete und in den USA die McCarthy-Ära einsetzte. Wären wir dann besser daran gewesen, hätte Hitler den Krieg gewonnen? Wohl eher nicht. Doch was hat das jetzt alles mit Ralph Giordano „Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte“ zu tun?

Putin und sein Kampf
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Josef Stalin (1942)

Anstoß für meinen Blick ins Bücherregal waren ein Interview bei NTV mit Dina Khapaeva, Professorin an der School of Modern Languages am Georgia Institute of Technology (USA), in dem sie sich mit Putins Erinnerungskultur auseinandersetzt sowie ein Beitrag von Christina Nagel, ARD-Studio Moskau, über Putins außenpolitische Doktrin der „Russischen Welt“. Letztere spricht von einem „antiwestlichen und neoimperialen russischen Nationalismus“, dessen Ziel darin besteht, „die russische Welt wieder neu zu erschaffen“, während sich Khapaeva mit Putins neomittelalterlichen Erinnerungspolitik und seiner Re-Stalinisierung beschäftigt, mit dem Ziel des Aufbaus eines russischen Imperiums.

Parallelen

Und da finden wir eine Reihe von Parallelen zu den nationalsozialistischen Zukunftsprojekten, wie sie bei Ralph Giordano sehr anschaulich und vor allem ausführlich mit Quellenbezug beschrieben sind. Ein überschwänglicher, auf die Herausstellung der eigenen Größe über andere begründeter Nationalismus, befeuert von Rechtsnationalisten wie Alexander Dugin oder dem Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, Kyrill: „Die russische Welt wird wieder zu einem Vorposten der christlichen Zivilisation“. Khapaeva beschreibt Putins Pläne als „die Wiederherstellung eines Imperiums, die Militarisierung der öffentlichen Meinung und die Propagierung von Staatsterror als große nationale Tradition“.
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Unterschiede?

Hitler und seine Paladine planten den industrialisierten Mord ganzer Völker, praktiziert bereits in den Vernichtungslagern, wo Juden, Sinti und Roma und andere auf grausamste Art und Weise ermordet wurden. Nun könnte man sagen, das traue man Putin und seinen Handlangern nicht zu, doch weiß man es? Die Dimensionen mögen andere sein, doch wer weiß schon, was noch in den kranken Köpfen dieser Wahnsinnigen vorgeht, die offen von der Vernichtung einer (der ukrainischen) Zivilisation schwafeln, die gezielt Zivilisten umbringen, Menschen verschleppen und in Infiltrationslagern foltern. Wozu wären sie fähig, wenn sie erst die Macht dazu hätten?


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Die Demokratie muss in die Offensive gehen

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1990 stellte sich eine Art Selbstzufriedenheit unter den Demokratien ein. Es schien so, als sei die Despotie, bis auf ein paar Inseln, überwunden. Und selbst als das Unwetter schon am Horizont sichtbar war, ruhte man sich auf der Hoffnung aus, es werde schon vorbeiziehen, bis dann am 24. Februar 2022 die Blitze einschlugen und der Kampf der Kulturen aufs Neue, auf heftigste Art entbrannte. Dieser Krieg ist kein Krieg des einen Landes gegen ein anderes mit hauptsächlich expansionistischen Zielen, wie man es von anderen Kriegen in der Vergangenheit gewöhnt war. Dieser Krieg ist ein Kampf der Kulturen und Putin hat den Demokratien den Krieg erklärt. Die Antwort kann nur lauten: offensive Gegenwehr.

Wenn Hitler …

kampf_der_kulturen_ralph_giordano… den Krieg gewonnen hätte – Wer wissen möchte, wie eine Welt ausschaut, wenn Autokraten wieder die Oberhand gewinnen, dem empfehle ich wärmstens, Ralph Giordanos Buch zur Hand zu nehmen. Die darin geschilderten Entwicklungen stellen keine Fiktion dar, sondern sind der Extrakt dessen, was bei den Nazi-Bürokraten bereits fertig in den Schreibtischen lag und bereits in den eroberten und besetzten Gebieten praktiziert wurde, die gezielte Vernichtung von Menschen, die gezielte Vernichtung ganzer Völker. Bittere Realität in russischen oder chinesischen Straflagern, und wie vom Kreml befehligte Söldner mit Menschen umgehen, das zeigt ein Blick nach Afrika. Dasselbe Vorgehen stand in den Regieanweisungen der Nazis, wie sie in Ralph Giordanos Buch beschrieben werden.

Der Autor

Ralph Giordano – geboren am 20. März 1923 in Hamburg. Die Mutter war Jüdin, daher fiel die Familie in Nazi-Deutschland unter die Rassengesetze. Er besuchte das Elitegymnasium „Johanneum“, von dem er im Jahre 1940 kampf_der_kulturen_ralph_giordano_fotonach einem Folterverhör verwiesen wurde. Bis zum Zusammenbruch der Nazi-Herrschaft lebte er in der Illegalität. Nach dem Krieg arbeitete Giordano als Journalist und Fernsehdokumentarist. 1955 siedelte er in die DDR über, der er nach 9 Monaten ernüchtert wieder den Rücken kehrte. Einen großen Teil seiner Zeit widmete er dem Kampf gegen das Vergessen der Naziverbrechen. Ralph Giordano verstarb am 10. Dezember 2014 in Köln.

Und wenn sie mich fragen

… um auf die Überschrift zurückzukommen, die Freiheit wird siegen, was sonst? So wie sie immer siegte, blickt man zurück in die Geschichte. Die Mullahs, die Putins, die Xis, die Kims und andere werden sich langfristig nicht halten, was aber nicht bedeuten soll, dass sie auf Dauer verschwinden. Das mag wohl auch daran liegen, dass es immer Menschen geben wird, die nach oben schauen, nach dem starken Mann, der alles für sie regelt, der ihnen das Denken abnimmt und solche, die sich korrumpieren lassen. Ein wichtiger Nährboden, Armut und Bildungsmangel. Dies auf ein Minimum zu reduzieren wird eine zentrale Aufgabe bleiben, im Kampf der Kulturen.
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