2020 – Die Welt am Wendepunkt?
Von: frankcmey 1. Dezember 2020
Umbruch – Nichts wird bleiben wie es war …
Wie immer, wenn ich über den Gang der Dinge auf dieser, unserer einzigen Welt nachdenke, gleitet mein Blick über mein Bücherregal. Dieses Mal blieb er haften an Thomas Manns literarischem Meisterwerk „Die Buddenbrooks“, untertitelt: Verfall einer Familie, gleichzusetzen mit dem Untergang einer Epoche am Beispiel einer alteingesessenen Kaufmannsfamilie, Umbruch, ein Gesellschaftsroman. Der erste deutsche, der Weltgeltung erlangte.
… des Kapitalismus – Umbruch? Zum ersten Mal gelesen mit Siebzehn als Pflichtlektüre in der elften Klasse der Erweiterten Oberschule, so hieß die „Penne“ offiziell in der verstorbenen DDR. Interpretiert im Sinne sozialistischer Bildungspolitik als der Anfang vom Ende des Kapitalismus, Sittenverfall, Dekadenz, Umbruch.
Das zweite Mal im Mann-Jahr 1975 anlässlich des hundertsten Geburtstages dieses Ausnahmeschriftstellers. Da zog ich mir auch gleich noch den Zauberberg, den Felix Krull und nicht zu vergessen Manns Hauptwerk „Joseph und seine Brüder“ zu Gemüte.
Der Kapitalismus ging nicht unter, er begann erst wirklich zu wachsen und zeigte in den Folgejahrzehnten seine Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit – der prophezeite Umbruch blieb aus.
Authentisch, wirklichkeitsnah, weil der Autor aus denselben Verhältnissen stammt, die er beschreibt, Spross einer alteingesessenen und angesehenen Lübecker Patrizier- und Kaufmannsfamilie. Der Roman mit einer Reihe Parallelen zur Geschichte Manns eigener Familie.
Handlungszeitraum die Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Revolution 1848 kommt eher am Rande vor, als Störfaktor, den man nicht so ernst nimmt. Sie findet draußen statt, auf der Straße, wo der Mob tobt. Bezeichnend ein Dialog zwischen Konsul Buddenbrook und einem seiner Lagerarbeiter, der für eine Republik kämpfen will. Der Konsul darauf: „Die haben wir doch schon …“ Die Sichtweise des Großbürgertums, einer Familie in vier Generationen. Der Verfall geht einher mit dem Niedergang hanseatischer Kaufmanns-Traditionen.
Der Regulator: permanente Knappheit. Der neue Regulator, die Börsen. Da waren plötzlich Schiffe aus Amerika unterwegs, bis an den Rand mit Getreide gefüllt. Die Geburtsstunde der Spekulanten, dreiste Emporkömmlinge in den Augen der alteingesessenen Patrizier, Umbruch in den Verhältnissen. Zola beschreibt in seinem Roman „Die Erde“ dieselbe Situation aus der Sicht derer da unten, aus der Sicht der Bauern.
Pflichtlektüre für jeden, dem deutsche Geschichte am Herzen liegt, die auch ein Stück Weltgeschichte beleuchtet. Sie waren der neue Adel des ausgehenden Mittelalters, die reichen Kaufleute, die „Pfeffersäcke“, traditionsbehaftet wie der alte, in ihren eigenen Konventionen gefangen. Dessen Untergang die Geburtsstunde des modernen Kapitalismus – der wirkliche Umbruch.
Nichts bleibt wie es war, und genauso könnte man das beurteilen, was sich gerade abspielt:
Atmete man nach Ende des Kalten Krieges hörbar durch, so hielt die Freude nicht allzu lange an. Spätestens mit dem islamistisch motivierten Angriff auf die Twin Towers in New York wurde man gewahr, dass eine völlig neue Bedrohung auf die Weltbühne getreten war. Ein Umbruch, eine Spielart des Terrorismus, gegen den die RAF und andere Terrortrupps davor geradezu wie Förmchen-Spieler wirkten, Amateure.
Weitgehend unsichtbar, weil die Gefahr nicht von Staaten oder deren Regimes ausgeht, unberechenbar, weil an keine international üblichen Regeln gebunden, skrupellos und aggressiv.
Hans-Jürgen Wischnewski, Außenpolitiker, Krisenmanager und Sicherheitsexperte der Bundesrepublik über Jahrzehnte hinweg, traf die für mich beeindruckendste Wertung der Ereignisse um 9/11 mit dem Satz (sinngemäß): „Das ist der Beginn einer neuen Zeit.“
… werden neu gemischt. Die Welt war überschaubarer bis zum Jahre 1990, sicherer war sie mitnichten. Sie ist sicherer geworden, wenn auch nicht gefühlt. Letzteres ist der Flut an Informationen zuzuschreiben, die uns überschüttet seit Internet und Handy-Cam. Überschaubarer, weil bis dahin zwei Systeme, zwei Blöcke existierten. Aus dem einen trat seit Beginn der 70er Jahre ein neuer Player heraus, die seinerzeit fünfte Atommacht China.
Und eine technologische Führungsmacht wie Deutschland öffnet einem chinesischen Staatskonzern ein Hintertürchen, damit der einen Fuß in eine der sensibelsten Schaltstellen modernster Kommunikationstechnik der Zukunft bekommt. Wie dumm kann man nur sein? G5 – sollten sich all die Möglichkeiten realisieren lassen, die diese Technologie bietet – und das wird wohl so kommen -, kann Peking jederzeit den Hebel umlegen, gute Nacht, freie Welt – der Umbruch.
Dass Russland im vorangegangenen Abschnitt nicht vorkommt, hat seinen Grund, weil den Russen außer den Kernwaffen nichts geblieben ist von einstiger Macht und Größe. Gefährlich genug. Schon jetzt geht der Bedarf an Erdöl und Erdgas zurück, und in zehn Jahren, falls die Welt die Energiewende schafft, – wenn sie sie nicht schafft, wird sie untergehen –, in zehn Jahren wird niemand mehr fossile Brennstoffe benötigen, jedenfalls nicht mehr in Mengen, die eine marode Volkswirtschaft wie die russische am Leben halten.
[table id=15 /]
Mehr fällt mir im Moment nicht ein, was wir aus Russland benötigen könnten, denn selbst der Beluga-Kaviar aus dem Iran ist der bessere. Ach ja, Wodka, sorry, doch auf den kann man gern verzichten. Doch darin lauert die nächste Gefahr, mit Nordstream hat Russland bereits den kalten Krieg gegen die Ukraine und Osteuropa begonnen, der vor sechs Jahren in einen heißen mündete, Nordstream 2 braucht kein Mensch, außer Putin. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Autokrat die nächste Karte ausspielt – Umbruch im Handeln nötig!
Die, die freitags die Schule schwänzen, sollte man eher dazu motivieren, sich auf den Hosenboden zu setzen und zu lernen. Der Mensch mit seiner Schöpferkraft wird das Problem bewältigen, Ansätze gibt es bereits genug, man muss nur mehr darüber reden. Information – der Goldstaub der Gegenwart, daher bedienen sich die Feinde des Fortschritts gern der Desinformation.
Die, die wir gerade erleben, wird nicht die letzte sein. Ob eine weitere erneut dieses Ausmaß erreichen wird, steht in den Sternen. Vielleicht kommt es ja noch schlimmer.
Ausgehendes Mittelalter – die Pest. Eine Warmzeit vom 9. bis zum 14. Jahrhundert und Fortschritte in der Landwirtschaft hatten zu einer Bevölkerungsexplosion geführt, flächendeckend entstanden Städte, in denen die Menschen, überwiegend die Ärmeren, so weiterlebten wie auf dem Lande, nur eben enger beieinander, der Nährboden.
Industrialisierung 19. Jahrhundert – Schwindsucht (TBC), Cholera. Die Ursachen ähnliche wie für die Pest im ausgehenden Mittelalter. Neben mangelnder Hygiene in den Arbeiter-Ghettos spielte die zunehmende Umweltverschmutzung (Luft, Trinkwasser) eine herausragende Rolle. Eine sich weiter entwickelnde Medizin schaffte es letztendlich, die Probleme in den Griff zu bekommen, wir sollten auch heute das Vertrauen in die Wissenschaft nicht verlieren – Umbruch im Denken.
Vielleicht wird man sich damit abfinden müssen, dass derartige Bedrohungen zum Alltag gehören, wie sie es an sich schon seit Langem sind, blickt man zurück auf andere Krankheiten, die inzwischen als ausgerottet gelten. Wir sind dazu in der Lage, Mittel zu entwickeln, die uns schützen.
Doch nichts wird bleiben wie es war.
Und die nächsten Seuchen sind bereits in Sicht [/].
China als gefährlicher Rivale statt unverzichtbarer Partner. Strategien mittels derer China die Welt erobert. Der Klappentext hält was er verspricht. Ein Muss für jeden, der sich mit internationaler Politik beschäftigt und nach Hintergründen sucht – der nächste Umbruch?
Chinas Aufstieg zur Weltmacht ist unaufhaltsam. Lange erwartete man, dass sich das Land mit zunehmendem Wohlstand demokratisieren würde. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Kommunistische Partei Chinas will sich mit allen Mitteln an der Macht halten. Dafür werden Wirtschaft und Gesellschaft im eigenen Land auf Linie gebracht und ein weitreichendes Programm wurde entwickelt, mit dem China die westlichen Demokratien unterwandert und eine neue Weltordnung etablieren will.
Dabei setzt es nicht nur seine Wirtschaftsmacht als Waffe ein, sondern die gesamte Bandbreite seiner Politik. Wie vielfältig der chinesische Einfluss auch bei uns bereits ist, enthüllen die beiden Autoren an zahlreichen Beispielen – ein Anstoß zu einer dringend notwendigen Debatte: Wie soll Deutschland, wie Europa mit der neuen Weltmacht China umgehen?
Eines meiner Lieblingsthemen, wer oben rechts im Suchfeld als Suchbegriff Putin eingibt, wird einige Einträge finden. Dass er seine schmutzigen Hände nicht nur nach der Ukraine ausstreckt, das sollte jedem klar geworden sein, der sich im Jahre 2015 das Buch „Testfall Ukraine“ zu Gemüte geführt hat (hier vorgestellt). Ist die Ukraine der Testfall für weiterreichende Operationen? Die Russlandpolitik braucht einen Umbruch.
Für alle, die es nicht so mit dem Lesen haben, die vielleicht aber die Geschichte interessiert, sei an die großartige elfteilige Verfilmung aus dem Jahre 1979 erinnert. Unter der Regie von Franz Peter Wirth nach einem Drehbuch von Wirth und Bernt Rhotert entstand dieses monumentale Filmwerk des Thomas Mann Klassikers. Die Erstausstrahlung begann am 15. Oktober 1979 in der ARD. Der Film hält sich weitestgehend an die Romanvorlage. Alle elf Teile hier>>>
Und nicht zu vergessen die Neuverfilmung aus dem Jahre 2007/ 2008 mit Armin Mueller-Stahl in der Rolle des Konsuls Jean Buddenbrook und Iris Berben als Konsulin. Der Film greift in etwa die zeitliche Mitte der Romanhandlung auf, bringt allerdings die Widersprüche, in die sich die Familie verstrickt, hervorragend zum Ausdruck. Sehenswert allein schon wegen der Besetzung.
Hier der Trailer zum Film:
[table id=8 /]
[table id=1 /]
[table id=9 /]
[table id=2 /]
[table id=15 /]