Émile Zola 1887 – Die Erde – brutal real

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Unvergessene Werke der Weltliteratur

Émile Zola über die Leiden französischer Bauern

Sicher ist Émile Zolas Buch keine erbauliche Abendlektüre für wohlbehütete höhere Töchter, es ist auch kein Buch zum Träumen und Ausruhen … (unbekannter Rezensent)

Émile Zola – Der Autor

émile_zola_buchvorstellungMan möge glauben, nicht viel über diesen großen Schriftsteller Émile Zola, über den, der zu den Großen der Weltliteratur gehört, sagen (resp. schreiben) zu müssen, doch weit gefehlt. Fragen Sie auf der Straße zufällig ausgewählte Personen aus der Generation der „Nach-Wende-Geborenen“ nach Émile Zola.

Wer kennt ihn noch?

Wenn es sich nicht zufällig um Literaturfreunde handelt, die sich nicht allein der modernen Literatur verschrieben haben, sondern auch die Klassiker in ihren Hinterköpfen tragen, jene, die mit ihren Werken den Urstoff für so manch moderne Abhandlung lieferten, so werden Sie zu erstaunlichen Erkenntnissen gelangen, warum? „Es liest sich etwas befremdlich“, sagte ein Student der Politikwissenschaften vor einigen Jahren in einem Gespräch zu mir. amazonvideo

Man kann Émile Zola aus verschiedenen Perspektiven lesen

Die Sprache mute etwas umständlich an, zu viele Worte um einen klaren Sachverhalt präzise zu beschreiben. Nun gut, ich muss zugeben, dass ich das Buch zum ersten Mal in die Hand nahm, da war ich um die Dreißig. Ich kam etwa bis Seite 50 oder ein Stück weiter, warum ich es unlängst erneut las, dieses Mal bis zum Ende, erfahren Sie im nächsten Abschnitt. Aber vielleicht liegt es ja auch am Alter. emile_zola

Émile Zola

Émile Édouard Charles Antoine Zola, geboren am 2. April 1840 in Paris, gilt als einer der großen französischen Romanciers des 19. Jahrhunderts und als Leitfigur und Begründer der gesamteuropäischen literarischen Strömung des Naturalismus, so erzählt es uns Wikipedia. Außerdem aktiver Journalist, der eine gemäßigte linke Position vertrat. Für eine ausführlichere Biografie folgen Sie bitte dem Link.

Émile Zola – Biografie

Und wer es gern noch ein wenig ausführlicher hätte, dem empfehle ich die Biografie von Veronika Beci.
Zola verstarb am 29. September 1902 im Alter von nur 62 Jahren in Paris.

Michel Houllebecq

… und Émile Zola. Im Winter 2019 stieß ich auf Michel Houllebecqs „Serotonin“ (eine Buchvorstellung finden Sie hier>>>). Nicht allein weil die von mir so heiß geliebte Sahra Wagenknecht (warum ich die Dame mag, erfahren Sie hier>>>) das Buch während eine Interviews erwähnte (da hatte ich es bereits erworben), nein, ich bekam Lust auf das Buch nach dem Lesen einer Rezension von Sabine Glaubitz in der Thüringer Allgemeinen. amazonvideo

Mein Blick fiel auf Émile Zola

michel_houellebecq_serotoninEs dauerte nicht lange, keine fünfzig Seiten in „Serotonin“, bis mein Blick auf mein Bücherregal fiel, auf ein bereits verblichenes, in Leinen gebundenes Werk mit eingangs erwähntem Titel. Ein Erbstück aus väterlichem Fundus. Zola beschreibt die Lage französischer Bauern im Vorfeld des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71. Hunger und Not auf der einen, Reichtum und Überfluss auf der anderen Seite. Billige Getreideimporte aus den USA drücken die Preise und zwingen gerade kleinere Höfe in den Ruin.

Émile Zola und Karl Marx

Die Großen schlucken die Kleinen, sie setzen Maschinen ein, der Beginn der Industrialisierung der Landwirtschaft. Etwa in derselben Zeit nimmt Karl Marx diese Zustände aufs Korn, indem er in seiner Kapitalismus-Kritik erwähnt, wenn der Bauer seine Lage nicht bald erkenne, werde die Entwicklung über ihn hinweg fegen „… wie ein Eisenbahnzug über eine Schubkarre.“ Nun kann man über Marx geteilter Meinung sein, besonders über die Philosophie, aber einige seiner Analysen haben sich bewahrheitet.

Die Tod gesagten leben noch

Bei Michel Houllebecq geht es um Ähnliches, industrialisierte Tierhaltung, um den drohenden Untergang eines klassischen Wirtschaftszweiges in der Zeit der Weltmärkte und der gesichtslosen EU-Bürokratie, Gesellschaftskritik (warum sonst sollte Sahra Wagenknecht das Buch empfehlen?), Untergangs-Philosophie …
Das Fatale nur, die Tod gesagten leben immer noch (und einige davon gar nicht so schlecht) und wenn sie nicht sterben, werden sie selbst in hundert Jahren noch leben.

Netzfund

… eines unbekannten Rezensenten. Der Name des Verfassers war leider nicht auszumachen, doch trifft die Rezension den Inhalt des Romans in seinen Kern:
Sicher ist Émile Zolas Buch keine erbauliche Abendlektüre für wohlbehütete höhere Töchter, es ist auch kein Buch zum Träumen und Ausruhen. Die Erde spricht eine harte, oft erbarmungslose Sprache, vielleicht schockiert sie auch mit dem einen oder anderen Abschnitt, schlüpfrig und gewollt aufreizend jedoch sind ihre Bilder nie.

Unmoralisches Werk

Kritiker zum Buch als „unmoralisches Werk“ gab es wie Sand am Meer. Der Vorwurf der Unmoral fiel letztlich auf jene zurück, die Autor und Werk so übel verleumdet hatten. Nicht nur wohlgesinnte Freunde verurteilten die Beleidigungen der »Fünf« und die Gehässigkeit der Presse, auch eine kleine Gruppe zeitgenössischer Kritiker, vornehmlich der Linkspresse, allen voran die Mitarbeiter des Cri du peuple.
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Das buch übertraf alles

Diese Tatsache zeigt deutlicher als alle vordergründigen Argumente, wo eigentlich die Fronten dieser Literaturschlacht um „Die Erde“ verliefen . Vor allem aber waren es die Leser selbst, die mit ihrem Urteil den Streit der Meinungen entschieden. 1902, im Todesjahr Zolas, hatte „Die Erde“ eine Auflagenhöhe von 135.000 Exemplaren erreicht, und 1928 konnte Maurice Le Blond, der Herausgeber von Zolas Gesamtwerk, feststellen, dass sie die beliebtesten Werke Zolas, wie Germinal und Nana, bereits übertraf …

Beschreibung der Sexualität

Naturalistische Literatur – die detaillierte Beschreibung der Wirklichkeit, zu der auch, wie vieles andere, die Sexualität gehört, die Unmoral wie man noch heute aus verlogenem Munde gern zu hören bekommt. Auch für deren Thematisierung war Zola nicht unbekannt, „Nana“ (Buchvorstellung Nana>>>) las ich in der weiter oben erwähnten Zeit, im Alter um die Dreißig, bis zum Ende. Dass sich Zeitgenossen Emile Zolas über diverse Inhalte beschwerten, verwundert übrigens nicht, wenn man das Buch liest.
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Die Erde – Leseproben

„Ja, das stimmt“, sagte Vater Fouan. „Es hat trotzdem gute Zeiten gehabt in meiner Jugend … Ich, der ich zu euch rede, ich habe Napoleon einmal in Chartres gesehen. Ich war zwanzig Jahre alt … Man war frei, man hatte die Erde, und das schien so gut zu sein! Ich entsinne mich, dass mein Vater eines Tages sagte, er säe Sous und er ernte Taler … Dann haben wir Ludwig XVIII., Karl X, Louis-Philippe gehabt. Das ging immerhin, man hatte zu essen, man konnte sich nicht beklagen.

Die Erde, so lange für den Grundherrn bebaut

Und heute ist nun Napoleon III. da, und bis zum letzten Jahr ging das noch nicht zu schlecht … Bloß …“ Er wollte den Rest für sich behalten, doch die Worte entschlüpften ihm.
„Bloß hat uns das was genützt, denen ihre Freiheit und denen ihre Gleichheit, Rose und mir? – Sind wir deshalb fetter, nachdem wir uns fünfzig Jahre lang geschunden haben?“ Alsdann fasste er in in paar langsamen und mühseligen Worten unbewusst diese ganze Geschichte zusammen: die Erde, die so lange für den Grundherrn bebaut worden war.

Begehrt wie die Frau eines anderen

Unter dem Prügel des Herrn und in der Nacktheit des Sklaven, dem nichts gehört, nicht einmal seine Haut; die Erde, die mit seiner Mühe befruchtet, die während dieses heißen und innigen Zusammenlebens zu jeder Stunde leidenschaftlich geliebt und begehrt worden war wie die Frau eines anderen, die man hegt, die man umarmt und die man nicht besitzen kann; die Erde, die nach Jahrhunderten dieser Lüsternheitsmarter endlich erlangt, erworben, zu seinem Eigentum geworden war, sein Genuss, der einzige Quell seine Lebens.

Die Preise fallen

[…] In der Beauce ist die Erde noch weich, sie verlangt nur eine beständige gute Bearbeitung … Bloß das nimmt eine Wendung zum Schlimmen. Sicher wird es weniger mit ihrer Fruchtbarkeit; Felder, auf denen man früher zwanzig Doppelzentner geerntet hat, bringen heute nur fünfzehn … Und der Preis für den Doppelzentner sinkt seit einem Jahr …

Bruder und Schwester

„Das sind alles Schwindeleien, was man erzählt, dass ihr mit eurem Bruder schlaft?“
So blass Palmyres Gesicht auch war, es wurde purpurrot von einer Woge Blut, die ihr ihre Jugend zurück gab. Überrascht, verärgert, weil ihr nicht die Widerlegung einfiel, die sie gewünscht hätte, stammelte sie:
èmile_zola_die_erde_leseproben„Oh, die Bösewichter … als ob man glauben kann …“
Und Francoise und Jean, die wieder von lärmender Fröhlichkeit erfasst wurden, redeten gleichzeitig, trieben sie in die Enge, brachten sie außer Fassung.

Palmyras Geheimnis

Freilich, in dem verfallenen Stall, in dem beide wohnten, sie und ihr Bruder, gab es kaum eine Möglichkeit, sich zu rühren, ohne dass einer auf den anderen fiel. Ihre Strohsäcke berührten sich auf dem Erdboden; klar dass sie sich da nachts irrten.
„Na los, es stimmt, sag dass es stimmt … Außerdem weiß man es.“
Aufrecht stand Palmyra da, war bestürzt, ließ sich hinreißen in ihrem Schmerz:

Ich bin seine Schwester, ich könnte gut seine Frau sein

„Und wenn das stimmen würde, was schert euch das … Der arme Kleine hat sowieso nicht viel Vergnügen. Ich bin seine Schwester, ich könnte gut seine Frau sein, wo ihn alle Mädchen verstoßen.“ Zwei Tränen rannen bei diesem Geständnis über ihre Wangen, bei ihrem herzzerreißenden Muttergefühl für den Blödling, das bis zur Blutschande ging. Nachdem sie ihm das Brot verdient hatte, konnte sie ihm abends auch noch das geben, was die anderen ihm verweigerten, ein Schmaus, der sie beide nichts kostete.


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Ein triebhaftes Sich nähern

In der Tiefe ihres dunklen Verstandes erdnaher Wesen, Parias, deren Liebe keinen Willen kannte, hätten sie nicht zu sagen gewusst, wie es dazu gekommen war: ein triebhaftes Sich nähern ohne überlegtes Einwilligen, bei dem er geplagt und viehisch, sie passiv und zu allem bereit war und sie dann beide dem Vergnügen nachgaben, es wärmer zu haben in diesem Gemäuer, in dem sie vor Kälte bibberten …

Inzest, man stelle sich das vor

Das solche Texte die Wut einiger Zeitgenossen auslöste, das liegt in der Natur der Zeit und der Widersprüchlichkeit derselben. Paris, das Sündenbabel einerseits, die Stadt, in die das wohlhabende Europa strömte, allein um ein Stück nackte Haut auf den berüchtigten Bühnen zu sehen, wovon gerade die am besten lebten, die andererseits eine verlogene Moral predigten. Zola zeigte ihnen, was sie wert sind … Alles lesen>>>
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