Die verratene Republik von Władysław Stanisław Reymont
Band Eins aus der historischen Roman-Trilogie über die Teilungen Polens
Polen – Ein seltsames Schauspiel erlebt die litauische Stadt Grodno während des glühend heißen Sommers des Jahres 1792. Unter dem Druck ausländischer Besatzungstruppen sollen die aus allen Landesteilen herbei geeilten Abgeordneten der polnischen Adelsrepublik der zweiten Teilung Polens zustimmen …
Polen heute
Polen – kaum ein Land im Bund der Europäischen Gemeinschaft erregt seit geraumer Zeit, konkret nach dem letzten Regierungswechsel im November 2015, ein solches Aufsehen. Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) errang bei den vorangegangenen Wahlen in beiden Kammern des Parlaments, des Sejm (Unterhaus) und im Senat, die absolute Mehrheit. Zeit Online titelte im vergangenen Jahr mit der Frage: Polen – Auf dem Weg zum autoritären Staat?
Polen und die EU
In mehreren Artikeln beschäftigte man sich mit der Frage, ob sich Polen noch an alle demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien hält. Zur Prüfung dessen leitete die Europäische Kommission ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages ein. Grund ist die Verabschiedung mehrerer Gesetze durch das Parlament zur Einflussnahme auf das Verfassungsgericht, das oberste Gericht und den Landes-Justizrat.
Eine weitere Klage richtet sich gegen Polen, wie auch gegen Tschechien und Ungarn, wegen deren Weigerung zur Teilnahme am Umverteilungsprogramm der EU für Flüchtlinge.
Einmischung Ja oder Nein?
Mir stellt sich immer wieder die Frage: dürfen die das überhaupt? Oder mit welchem Recht mischt sich eine Staatengemeinschaft oder Teile derselben in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates ein?
Zunächst scheint die Frage klar zu beantworten zu sein. Eine oder mehrere Parteien streben die Aufnahme in eine Gemeinschaft an. Dafür werden sie vom Volk gewählt, erhalten eine Mehrheit, bilden eine Regierung, die sich zu den Grundsätzen und Werten, zu den bestehenden Vereinbarungen dieser Gemeinschaft bekennt – Grundlage für die Aufnahme.
Die PiS machte aus ihrer EU-kritischen Haltung kein Hehl
Wer, wie ich, sowohl in der Vor-EU wie in der EU-Zeit des Öfteren durch Polen fuhr. Wer Dörfer und Kleinstädte ohne befestigte Straßen kennen und (mit Sorge um das schöne, tiefer gelegte West-Auto) hassen lernte, dem fielen später asphaltierte Straßen, gepflasterte Bürgersteige, gesäumt von Schildern mit EU-Symbol, besonders ins Auge. Sollen die doch froh sein, die Polen, möchte man meinen. Allein hätten die das nie geschafft!
Einige Jahre später wird mehrheitlich eine Partei gewählt, die bereits im Vorfeld (sie war schon einmal an einer Koalition beteiligt) wie im Wahlkampf, aus ihrer EU-kritischen Haltung kein Hehl machte.
Stimmenzuwachs bei hoher Wahlbeteiligung
Man kann der PiS vorwerfen was man will, nur nicht dass sie die Wähler, ihre Ziele betreffend, belogen hätte. Insofern haben wir es mit der souveränen und mehrheitlichen Entscheidung der polnischen Bürger zu tun. Schaut man sich die Stimmenverteilung an, so fällt auf, dass die PiS mit Ausnahme von Pommern und Westpommern in allen Wojewodschaften die meisten Stimmen erhielt. In den östlichen Landesteilen mehr als 50 %. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 51 %. Bei der vorangegangenen Wahl, in der die Bürgerplattform die Mehrheit gewann, lag dieselbe nur bei 49.
Polen – Eine wechselvolle, bisweilen tragische Geschichte
Zentrale Aussage der PiS, der die Mehrheit der Polen, die an die Wahlurnen gingen (und nur das zählt, wie anderswo auch) ihre Stimme gaben, war die: Moment bitte, das geht uns alles zu schnell. Wir sind nicht bereit, unsere Souveränität auf den Altären der EU zu opfern.
Wenn man aktuelle Entwicklungen in einem Land verstehen will, so ist es, neben Betrachtung der gegenwärtigen Gegebenheiten, unerlässlich, in dessen Geschichte zu blicken. Eine wechselvolle, bisweilen tragische Geschichte eines Landes, das in einer Zeit, als sich die ersten Staaten bildeten, zu den Europäischen Großmächten gehörte.
Nationalismus entsteht dort wo Unterdrückung herrscht
Was die Gegenwart betrifft, erscheint ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein als signifikant. Im Ergebnis der letzten Volksbefragung im Jahre 2012 bekannten sich 92 % der Befragten als ausschließlich(!) Polen. Nationalismus entsteht besonders dort wo Unterdrückung herrscht oder herrschte, worunter gerade Polen Jahrhunderte lang zu leiden hatte. Eine wechselvolle, teils tragische Geschichte. Dies verdeutlicht ein Blick in einen kurzen
Abriss der Geschichte
Nach Abzug der Germanen, von denen nur wenige Stämme im mittel-baltischen Raum zurück blieben, sickerten west-slawische Stämme in das Staatsgebiet des heutigen Polen ein. Das Land, bedeckt von Wäldern und unwegsamen Sumpfgebieten, war dünn besiedelt. Betrachtet man sich die Karte (zum Vergrößern, anklicken), so fällt auf, dass es sich mit Ausnahme des Ostseeraumes (bis zur Kieler Bucht), Teilen Mitteldeutschlands (Leipzig, Chemnitz) sowie Tschechien und der Slowakei nahezu um das Staatsgebiet Polens in seinen heutigen Grenzen handelt. Im 10. Jahrhundert entstand das Herzogtum Polen.
Im 10./ 11. Jahrhundert erste deutsche Siedler
Polen, benannt nach dem Stamm der Polanen, dessen Führer Mieszko I., es gelang, weite Teile der west-slawischen Siedlungsgebiete zu unterwerfen. In diese Zeit fallen erste Einwanderungen deutscher Siedler in heute polnische Gebiete. Dass diese in großer Zahl aus Süd-West-Deutschland stammten, war kein Zufall. Wirkte sich doch die im Ergebnis einer im 9. Jahrhundert einsetzenden Erwärmung eingetretene Bevölkerungsexplosion besonders im süddeutschen Raum aus. Hier war die Landwirtschaft am weitesten entwickelt. Ein Ergebnis der direkten Zugehörigkeit zum römischen Imperium.
Nach Zerfall, neue Reichseinigung im 13. Jahrhundert
Bauern aus Süddeutschland waren bei den polnischen Herzögen begehrt.
Es war die Zeit, in der größere Teile Polens von Deutschen besiedelt wurden, Bauern, niederer Adel. Dass diese in der Folge ihren Besitz an die Ihren weiter vererbten, dass sie ihn ausdehnten, sich verbündeten, um ihren Besitz im Bedarfsfall zu verteidigen, dass sie Städte gründeten, sich Beistand holten, all das liegt in der Natur der Dinge, in den Eigenheiten dieser Zeit.
Nach dem Zerfall Polens in mehrere unabhängige Herzogtümer während des 11. und 12. Jahrhunderts, setzte Ende des 13. Jahrhunderts eine neue Reichs-Einigung ein.
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Schlacht bei Tannenberg 1410 – Geburtsstunde der polnischen Nation
Ein Höhepunkt der Machtentfaltung im geeinten Polen war die Heirat des litauische Großfürst Jagiełło mit der polnischen Königin Jadwiga. Litauen und Polen wurden fortan in Personalunion von Władysław II. Jagiełło regiert, der knapp zweihundert Jahre später die Realunion folgte. In dieser Zeit stieg Polen zu einer der führenden Kontinentalmächte auf. Der Sieg über den Deutschen Orden 1410 bei Tannenberg (Grunwald) wird in Polen als die Geburtsstunde der polnischen Nation gefeiert.
Die Deutschen wurden ins Land gerufen
An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Deutsche Orden, wie auch die deutschen Siedler, von polnischen Herzögen ins Land gerufen wurden. Und zwar zum Zwecke der Unterstützung im Kampf gegen die aufsässigen Balten (ihre Ethnie nach Germanen). Es war also nicht, wie uns hier im Osten die stalinistische Geschichtsschreibung zu vermitteln versuchte, die Ostexpansion des „bösen“ deutschen Adels gegen die „guten und friedliebenden“ Slawen. In einer Zeit, als die Landwirtschaft noch wichtigster und somit überlebenswichtiger Produktionszweig war, gehörte die Landnahme zu einer Grundvoraussetzung für den Fortbestand eines Gemeinwesens.
Deutscher Besitz in Polen war rechtens
Letzteres galt für alle Seiten. Auch das lag in der Natur der Dinge, in den Eigenheiten dieser Zeit. Dass dies zu Ungerechtigkeiten auf beiden Seiten führte, ebenso. Entgegen anderslautenden Behauptungen, was das Recht der deutschen Bevölkerung auf Landbesitz auf polnischem Gebiet hatte, war deren Anwesenheit rechtens und die Vertreibung Unrecht. Mit den Folgen beschäftigt sich der erste Teil, des Familienromans, an dem ich seit zwei Jahren schreibe. | Update: Inzwischen ist er im Handel, Leseproben finden Sie hier>>>
Die Adelsrepublik
Mit der seit 1569 als sogenannte Adelsrepublik bezeichneten Staatsform zwischen Polen und Litauen waren unsere polnischen Nachbarn ihrer Zeit um ein Weites voraus. Polen und Litauen bildeten den ersten modernen Staat Europas mit einem republikanischen System und einer Gewaltenteilung. In den ersten hundert Jahren seiner Existenz gab es im von Kriegen zerrütteten Europa keine Macht, die Polen etwas entgegenzusetzen vermochte. Erst mit Entstehung der feudal-absolutistischen Nationalstaaten änderte sich das Kräfteverhältnis.
Die Teilungen Polens
Geschwächt von inneren Machtkämpfen, der Vergabe der Königskrone an ausländische Mächte, fiel Polen im 18. Jahrhundert drei aufeinanderfolgenden Teilungen zum Opfer, an deren Ende vom polnischen Nationalstaat nichts übrig blieb. In diese Zeit entführt uns der Roman, um den es hier noch gehen wird.
Nach dem Zerfall der Europäischen Monarchien infolge der Napoleonischen Eroberungskriege entstand für wenige Jahre ein von Frankreich initiiertes Herzogtum Warschau, dessen Verfallsdatum mit der Niederlage Napoleons besiegelt wurde.
Mit dem Wiener Kongress 1815 wurde ein Königreich Polen ins Leben gerufen, das später so genannte Kongress-Polen.
Die russische Fremdherrschaft in Polen
Es existierte in Personalunion mit dem Russischen Kaiserreich. Nach zwei Aufständen, 1830 und 1863, setzte von deutscher Seite her eine zunehmende „Germanisierung“, von russischer eine „Russifizierung“ ein. Der Name Polen wurde verboten und mit Weichsel-Land ersetzt.
Erst während des 1. Weltkrieges, im Jahre 1916, riefen Deutschland und Österreich-Ungarn ein neues Königreich Polen aus, das jedoch wegen des Kriegsverlaufes keine Bedeutung erlangen sollte.
Im Zuge der Friedensverhandlungen erlangte Polen 1919 seine erneute Unabhängigkeit.
Das Wunder an der Weichsel 1920
Versuche Sowjet-Russlands, Polen bis an die Weichsel zu erobern, wurden 1920 in der Schlacht bei Warschau, während derer die Rote Armee vernichtend geschlagen wurde, endgültig vereitelt. Während des letzten Kriegsjahres und besonders nach dem Waffenstillstand 1918 gab es zahlreiche Übergriffe auf die deutsche Bevölkerung in den Gebieten, die Polen zugesprochen werden sollten. Mehr als 200.000 Deutsche verließen ihre Heimat, freiwillig wie unter Zwang. Die ersten Jahre war das Land politisch zersplittert. Mehr als eine weitere Million deutschsprachiger Bürger verließ wegen Restriktionen das Land.
Das dunkelste Kapitel polnischer Geschichte
Erst der Staatsstreich durch Marschall Piłsudski, dem Sieger von Warschau, führte zu mehr Stabilität. Dass von Polen aus in dieser Zeit zahlreiche Übergriffe auf benachbarte Gebiete erfolgten, spielte zumindest Hitler insoweit in die Hände, dass er einen Vorwand für den Angriff auf Polen am 1. September 1939 fand.
Es folgte das dunkelste Kapitel der polnischen Geschichte: die Besetzung, die Ausrottung der polnischen Juden. Die Vernichtung der Intelligenz und der polnischen Oberschicht durch Nazi-Deutschland.
Angst vor erneutem Souveränitätsverlust
Zu bitteren Wermuts-Tropfen im Kelch der Befreiung Polens durch die Sowjetunion wurden die Tatsachen, dass erstens Stalins Rote Armee während des Warschauer Aufstandes auf dessen Befehl hin am Ostufer der Weichsel so lange ausharrte, bis der letzte Aufständische von der Waffen-SS getötet war, und zweitens, dass Stalins Geheimdienste nach dem Krieg noch die wenigen Reste der polnischen Intelligenz, denen es nicht gelungen war, ins westliche Ausland zu entkommen, eliminieren ließ.
Zahlreiche Polen haben Angst. Zum einen aus einer tief im Fleisch der Nation sitzenden Furcht vor Russland heraus, zum anderen vor einem Verlust der erst nach der Wende 1989/ 90 endgültig wieder erlangten Souveränität.
Władysław Stanisław Reymont
Diese Angst muss man den Polen nehmen, anstatt erneut mit Strafmaßnahmen über sie herzufallen. Der erste genannte Grund, die Furcht vor Russland, wie auch zahlreiche wirtschaftliche Vorteile werden Polen im Bund halten. Hier wäre Geduld angesagt, weniger Androhungen von Sanktionen.
Während ich mich, bewegt von den Drohungen der EU, durch Pressemitteilungen klickte, fiel mir eine besonders auf. Nämlich die über den 150. Geburtstag eines der bedeutendsten Polnischen Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträgers. Władysław Stanisław Reymont wäre im Mai 2017 150 Jahre alt geworden. Durch den Sejm wurde das Jahr 2000 zum offiziellen Reymont-Jahr ausgerufen. Im Jahre 2005 benannte man den Flughafen der Stadt Łódź nach ihm um.
Verfechter des Zusammenschlusses aller slawischen Völker
Dass man ihm diese Ehrungen erwies, muss wohl in erster Linie etwas mit seiner Rolle als Schriftsteller und Poet und dem Dienst zu tun haben, den er der eigenständigen polnischen Kultur erwies. Dass er ein Verfechter des Zusammenschlusses aller slawischen Völker war, mag wohl dem einen oder anderen Polen vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit Russland schwer im Magen liegen. War er es doch, der während des 1. Weltkrieges an den Oberbefehlshaber der russischen Armee, den Fürsten Romanow, einen Brief schrieb, in dem er diesen Schulterschluss beschwor. Wer weiß, ob er diesen Brief auch noch dreißig Jahre später an den Oberbefehlshaber, Marschall Shukov, geschrieben hätte?
Der Name Reymont bewog mich zu einem
Blick ins Bücherregal
Dort fand ich, bereits ein wenig lädiert, die oben erwähnte Roman-Trilogie, die ich zum ersten Mal las, da war ich noch keine Achtzehn. Ich bekam sie als Auszeichnung verliehen. Man schrieb das Jahr 1971.
Ein Jahr zuvor unterschrieben der damalige polnische Partei- und Staatschef Gomulka und Bundeskanzler Willy Brandt den Deutsch-Polnischen Vertrag. Nur wenige Wochen später wurde derselbe Gomulka in der Folge gewalttätiger Arbeiterunruhen an der Ostseeküste aus seinem Amt gefegt. Wenn es um die Befreiung Osteuropas einschließlich der DDR aus der sowjetischen Zwangsherrschaft geht, dann kommt Polen, das sich in all den Jahren nach dem 2. Weltkrieg nie ergab, eine herausragende Rolle zu.
Ein Kapitel der Geschichte, bei dem weder Russland noch Deutschland gut weg kommen
Es war außerdem ein polnischer Bischof, der den Kommunisten immer wieder die Stirn bot. Aus ihm wurde der erste polnische Papst. Auch das sollten wir Deutsche nie vergessen.
Ich hatte aus dem Westfernsehen Kenntnis von den Aufständen des Jahres 1970 in mehreren polnischen Ostseestädten erhalten. Umso mehr wunderte ich mich damals bereits, dass man mir eine Roman-Trilogie als Ehrung überreichte, die sich, wie ich wenig später lesen konnte, mit einem Kapitel polnischer Geschichte beschäftigt, bei dem weder Russland noch Deutschland gut weg kommen.
Ein Kapitel der Geschichte, bei dem weder Russland noch Deutschland gut weg kommen
Doch man unterschied zwischen den Zeiten des Feudalismus oder Kapitalismus und der nunmehr angebrochenen heilen Welt des sich planmäßig entwickelnden Sozialismus. Acht oder neun Jahre später, da gab es schon die Solidarnosc, lernte ich im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit polnische Bürger und Bürgerinnen kennen, die sehr erstaunt darüber waren, dass sich ein Ostdeutscher für polnische Geschichte interessiert. Die mir außerdem erklärten, welche Bedeutung solcher und anderer Literatur für den Erhalt der nationalen Identität beigemessen wurde. In dieser Zeit las ich die Bücher von Reymont ein zweites Mal.
Die verratene Republik
Ein seltsames Schauspiel erlebt die litauische Stadt Grodno während des glühend heißen Sommers des Jahres 1792. Unter dem Druck ausländischer Besatzungstruppen sollen die aus allen Landesteilen herbei geeilten Abgeordneten der polnischen Adelsrepublik der zweiten Teilung Polens zustimmen. Der Leser taucht ein in die bewegenden Handlungen rund um Sitzungen des Reichstages, um königliche Empfänge, prunkvolle Bälle, Schäferidyllen, Liebesaffären und geheimnisvolle Fahrten auf dem Njemen. Eifersucht, Hass, Intrigen, verzehrende Leidenschaften. In Zusammenkünfte von Verschwörern, die einen Umsturz planen. Angetrieben von den Ereignissen der französischen Revolution.
Roman und unterhaltsam zu lesendes Geschichtsbuch
Eine der Hauptfiguren, Leutnant Zareba, der an der Seite des legendären Generals Kosciuszkos für die Freiheit seines Vaterlandes kämpfen und die unglückliche Liebe zu seiner früheren Verlobten Iza vergessen will.
Reymont stellt Bezüge her zwischen den Ereignissen in Polen und Entwicklungen in den das Land umgebenden Mächten. Insofern ist das Buch neben Roman ein sehr unterhaltsam zu lesendes Geschichtsbuch. Er ist zudem ein Meister in der Schilderung der die Handlungsorte umgebenden Landschaften sowie der polnischen Folklore.
Leseprobe aus Teil I
Zareba hatte den König genau vor sich. Mit seinem Adlerblick fasste er ihn scharf ins Auge, als bemühe er sich, die täuschende, gutmütige Maske zu durchdringen und ins Innere dieses Menschen zu blicken. Aber er bemerkte nur ein welkes Lächeln, das aus der trockenen Leere dieses Herzens zu kommen schien. Die müden, einstudierten Blicke und die zur Schau getragene Würde.
Ein menschlicher Leichnam, ausstaffiert als König!, dachte Zareba, von diesem Augenblick erregt. Eine lebendige Puppe! Ein Ritter, der sich nur auf Kapitulation versteht. Ein Hetman des Volkes, der von dessen Todfeinden besoldet wird.
Hass auf den König
Ein König der Kokotten!, flüsterte in ihm eine Stimme, die vor Scham und Groll immer mächtiger anschwoll. Sie haben dir deine Krone bezahlt, um die Genehmigung zur ersten Teilung Polens zu bekommen, womit werden sie dich jetzt bezahlen, du Schinder?, schrie es in ihm, der bis ins Innerste verwundet war …
Die Soldaten gingen auseinander, nur Laski trat mit einem verdrießlichen Lächeln auf Zareba zu.
„Vielleicht wäre auch ich noch zu etwas zu gebrauchen?“
„Nehmen sie sich der Frauen an. Die Straßen sind unsicher und voller Marodeure.“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal zum Weibel befördert würde!“ Er war ganz rot vor Ärger.
Schade ist nur, dass meine Hühnchen schon gerupft sind
„Ich habe schon ein volles Maß unter den Wagensitz gestellt“, besänftigte ihn Pater Serafin.
„Mein Wohltäter und Retter!“ – Er wurde mit einmal rührselig – „Sie haben Recht, es ist für meinen Rang angemessen, zu fahren, als mich mit dem Bauernpack auf allen möglichen Schleichwegen herum zutreiben. Schade ist nur, dass meine Hühnchen schon gerupft sind!“
Er zwirbelte seinen Schnurrbart so unternehmungslustig und warf den Frauen solche Blicke zu, dass sie in schallendes Gelächter ausbrachen; und dann sagte er in einem vertraulichen Ton:
Er folgte rasch dem Geistlichen
„Mein Ehrenwort, aber gerade wegen meiner Liebschaften musste ich mit dem Lumpenpack herumziehen. Wenn der Mensch Glück bei den Weibern hat, dann lässt ihn der Teufel bis zu seinem Tode nicht mehr los. Sogar noch unterwegs passierte mir etwas schier unglaubliches …“
„Ich glaube es ihnen auch so, aber wir müssen jetzt aufbrechen“, unterbrach ihn der Bernhardinermönch und ging auf den Waldrand zu. Zareba gab Laski die Hand, flüsterte Kacper etwas ins Ohr, und nachdem er ihn brüderlich umarmt hatte, folgte er rasch dem Geistlichen.
Teile II und III
Sterne in der Nacht
In den schweren Stunden, die nach der zweiten Teilung Polens 1793 über das Land herein brachen, scheiden sich die Geister. Während auf der einen Seite Königshof und Magnaten ihr verräterisches Spiel treiben und die meisten Schlachtschitzen nur um die Aufrechterhaltung ihrer Privilegien bangen, vereinen sich Offiziere, patriotisch gesinnte Beamte, Handwerker und Geistliche zu einer das ganze Land umspannenden Verschwörung. Leutnant Zareba, der in dem tapferen Edelfräulein Kobierzycka eine liebenswerte Gefährtin gefunden hat, wird von radikalen Flügel der Verschwörer nach Paris entsandt und erlebt die französische Hauptstadt im Fieber der Revolution. Als es im März 1794 durch Verrat zur Verhaftung mehrerer Verschwörer kommt, geben junge, politisch aktive Offiziere das Signal zum Aufstand.
Der Aufstand
In den Ruinen des Klosters Tyniec versammeln sich im Schutze der Nacht die Freiwilligen und warten auf das Signal zum Austand. Überall in Polen, in Krakau und Warschau, in Litauen und Masowien, in den von Russland und Preußen besetzten Gebieten ist das Volk bereit, loszuschlagen und die nationale Unabhängigkeit zu erringen. Auf dem historischen Marktplatz von Krakau verkündet General Koskiuszko unter dem Geläut der Glocken und dem Jubel der Massen die Auferstehung Polens. Wir erleben den Ausmarsch der bewaffneten Bauern, die nicht nur für die Rettung des Vaterlandes, sondern auch für ihre Freiheit in die Schlacht ziehen, und die unerträgliche Spannung der letzten Stunden vor dem Losbrechen des Sturms in Warschau.
150. Geburtstag Reymonts
Die Empörung
Der vom Hof gejagte Schäferhund Rex überzeugt die Tiere, sich der Ausbeutung und Unterdrückung durch die Menschen ein für alle Mal zu entziehen. Riesige Herden formieren sich und folgen Rex auf dem Weg nach Osten in das verheißene »gelobte Land« der Freiheit. Es kommt zu erbitterten Schlachten, aus denen die Tiere trotz hoher Verluste als Sieger hervorgehen. Aber auf dem Marsch in eine vermeintlich bessere Zukunft werden sie durch Naturgewalten und die Strapazen des Weges mehr und mehr dezimiert. Nur ein kleines Häufchen enttäuschter Vierbeiner überlebt. Desillusioniert lehnen sie sich gegen Rex und seine Gehilfen auf.
Unter dem Eindruck der russischen Oktoberrevolution geschrieben, wird Reymonts Buch oft mit Orwells »Farm der Tiere« verglichen, ist aber mehr als 20 Jahre früher erschienen. In seinem Entstehungsland Polen fiel der Roman nach dem Zweiten Weltkrieg der Zensur zum Opfer und geriet jahrzehntelang in Vergessenheit.
W. St. Reymont
Geboren am 7. Mai 1867 in Kobiele Wielkie bei Radomsko. Das liegt nur wenige Kilometer nordöstlich der für die Madonnenstatue bekannten Stadt Częstochowa, deutsch Tschenstochau, in der Wojewodschaft Schlesien.
Er gehörte zu den Hauptvertretern des Realismus in der polnischen Literatur an der Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts. Für seinen vierteiligen, nach Jahreszeiten unterteilten Roman „Die Bauern“ erhielt er im Jahre 1924 den Literatur-Nobelpreis.
Reymont gehörte der Bewegung Młoda Polska (Junges Polen) an. Die Bewegung hatte sich nach der Niederschlagung des Januaraufstands 1863 in Krakau gebildet.
Das gelobte Land – ein weiteres seiner Hauptwerke
Krakau gehörte zum österreichisch-ungarischen Galizien. Im Zuge der Liberalisierung und Modernisierung der Habsburger Monarchie entfaltete sich dort in den späten 1860er Jahren ein eigenständiges polnisches Kulturleben.
Zu seinen Hauptwerken gehören außerdem „Das gelobte Land“ und „Die Empörung“. Zu Letzterem gab es im Jahre 2004 vom polnischen Verlag Fronda eine Neuauflage. Im Mai des vergangenen Jahres erschien anlässlich seines 150. Geburtstages eine Neuauflage der deutschsprachigen Ausgabe (ISBN 978-3-942836-12-8).
Reymont starb am 5. Dezember 1925 in Warschau.
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